Das schlesische Gebirgsbauernhaus

von Hans-Ulrich Siegert aus Hirschberg  (1953)

 

 

 

Wenn auch das Bild einer Landschaft in erster Linie ein Werk der Schöpfung ist, so wurde es im Laufe der Zeiten doch auch vom Menschen durch seiner Hände Werk beeinflußt, durch die Anlage der Felde, der dörfischen Siedlungen, deren Kern der Einzelhof und das Bauernhaus bilden. Und so unterschiedlich die einzelnen Volksstämme innerhalb der deutschen Sprachgrenzen sind, so verschieden sind auch die sichtbaren Merkmale ihres Schaffens.

Hier wollen wir uns einmal mit unserem heimatlichen Bauernhaus etwas näher befassen und müssen da unsere Betrachtungen in zweierlei Richtungen anstellen: seiner historischen Entwicklung und seiner Zweckmäßigkeit.

Wir wissen, wir Schlesier sind ein Volksstamm, hervorgegangen aus den Kolonisten des 13. Jahrhunderts: Thüringen, Franken, Hessen und Schwaben. Die ersten beiden herrschten vor, was bestimmend für die gesamte Hofanlage wurde. Einmal – geschlossene Hofanlage. Der Lebensnerv war die Dorfstraße, die Siedlungsform – das Waldhufendorf mit Kirchen, Kretscham, Schulen und Pfarrhäusern in der Mitte. Die größeren Höfe zeigen eine Vielhausanlage. Kannte man im Mittelalter im Westen bereits ein bäuerliches Handwerk, so war z.Z. der deutschen Ostkolonisation der Siedler sein eigener Schmied, Wagenbauer und Stellmacher. Demzufolge finden wir in Schlesien den Hof mit Wohnhaus, Stall, Scheune und Werkstatt, einem kleinen Blumengärtel vor dem Hause und ein Gemüsegärtchen für den Küchenbedarf. Alles ist häufig von einer Hofmauer mit Tor umfriedet.

Letzteres ist gewöhnlich zweiteilig: Fußgängerpforte und Toreinfahrt. Diese Einteilung ist ein besonderes Charakteristikum deutscher Bauweise im Gegensatz zur slawischen der Polen und Tschechen. Wir finden sie ebenso an Schlössern: Brieg, Liegnitz, wie an den Höfen der Grafschaft Glatz und in Oberschlesien z.B. bei den Ackerbürgerhäusern von Bauerwitz. Abgeleitet dürfte diese Form sein von den alten Stadttoren West- und Süddeutschlands (Frankens).

Im Gegensatz zur Urform des niedersächsischen Bauernhauses, wo neben der Feuerstelle Mensch und Tier in einem gemeinsamen Raume, nur durch einen Verschlag getrennt, zusammenlebten und unter dem gleichen Dach sich auch eventuell befand, baute der Schlesier sein Wohnhaus allein als ausgesprochenen Kulturbau und war bestrebt, dasselbe in seiner Gliederung formschön zu gestalten. Der Holzreichtum der Gebirge gab dem Holzbau gegenüber dem Massivbau den Vorzug.

 

Blockhaus und Fachwerkbau sind in Schlesiens Bergen gleichstark vertreten, ja oft miteinander kombiniert.

Das Haus des Kleinbauern oder Stellenbesitzers, wie wir ihn daheim nannten, zeigt den Typ des Blockhauses. Ineinander verzapft liegt ein Längsbalken und Querbalken übereinander, mit Kalk und

Fugen ausgeweißt. So wächst das Haus auf allen vier Seiten gleichmäßig in die Höhe.

Beim zweigeschossigen Bauernhaus des Großbauern haben wir die Kombination mit dem Fachwerk. Das Erdgeschoß im Blockwerk ausgeführt, welches von einem Ständerwerk des Fachwerks als Mantel umgeben ist. Dieses basiert auf einem massiven Steinsockel. Auf dem Sockel stehen in gewissen Abständen die „Ständer“. Auf ihnen ruht der lange Querbalken, der seinerseits die Balken der Zimmerdecke trägt. Ständer und Querbalken sind durch kurze Schräghölzer imWinkel von 45 Grad verbunden. Diese ganze Konstruktion bezeichnen wir als „Umgebinde“. Recht betrachtet ist sie nichts anders als die germanische Lebensrune (Y), also ein urdeutsches Zeichen, das sichtbar den reindeutschen Charakter der ostdeutschen Bauernhausarchitektur zum Ausdruck bringt und alle polnischen Argumentationen Lügen straft. Es sind die gleichen Formen wie an einem Knochenhaueramtshaus in Hildesheim oder an der alten Stadtwaage in Braunschweig.

Das „Umgebinde“, auch mitunter vor dem Blockhauskern völlig freistehend, wie in Berthelsdorf bei Schömberg, Krs. Landeshut, ist andererseits nicht anderes als der letzte Ausdruck des „ostdeutschen Vorlaubenhauses“. Wie wir sie in Hirschbergs Markthäusern kennen oder auch in Görlitz, Liebenthal, Bolkenhain, Jauer und Glatz, auch von den Rathäusern in Brieg, der Kämmerei Neiße/OS, Münster i.Westfalen, Lübeck und Bremen.

Die Vorlauben entstanden in den Hansestädten und kamen über das westpreußische Vorlaubenhaus in die Sudentenländer, von da über das Erzgebirge zu den Alpen. Das kleine Schömberg zeigt als baugeschichtliches Kulturdenkmal in besonders klarer Form die Entwicklung des Vorlaubenhauses zum Umgebindehaus im Stein- wie im Holzbau durch alle Baustile von der Gotik über Renaissance, Barock bis zum Klassizismus, vom Patrizierhaus der Städte bis zum Haus des Handwebers und Bauern.

Dieser Nord-Süd-Bewegung kommt dann die West-Ost-Entwicklung entgegen: der fränkische Fachwerkbau. In ihm wurde das Obergeschoss der Bauernhäuser ausgeführt.

Durch „Versetzten“ mit Ziegeln entstand das obere Stockwerk als Massivbau, von dem sich das schwarzgestrichene Balkenwerk des Fachwerks malerisch abhob. Hierbei tritt das Fachwerk nicht wie in Franken, als zweckgebundene Konstruktion, sondern vor allem auch als Schmuckform in  Erscheinung, indem sich reihenweise schräg gestellte Hölzer als „Andreaskreuz“ ornamental präsentieren. Die Hausfront erfährt durch giebelgekrönte Vorbauten des Obergeschosses, die auf Holzsäulen ruhen, eine weitere Bereicherung, die sogenannte „Frankspitze“.

Der Sockel des Hauses dient oft als Sitzbank oder als Unterlage zur Schichtung von Scheitholz, welches seinerseits wiederum die Hauswände vor Kälte schützt. Buntbemalte Fensterläden, Spalierobst und die rankende Klematis vervollständigen das Bild unseres schlesischen Bauernhauses, wie wir es alle - gekannt haben.

 

 

Entnommen aus „Schles. Bergwacht“, SB1953/13II/S04

 

Erstellt: W.Schön; Mail: genealogie@wimawabu.de